Viel Party, wenig Abstand!

Wird der Rosenthaler Platz zum Ballermann?

Die rbb-Abendschau berichtete am 20. Juli von völlig überfüllten Lokalen entlang der Torstraße sowie rund um den Rosenthaler Platz und darüber, dass dort vielfach alle vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Covid-Virus missachtet werden. Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Bündnis 90/Die Grünen) sah sich daraufhin veranlasst, einen offenen Brief an die Inhaber*innen der Bars, Kneipen und anderer gastronomischer Einrichtungen im Bezirk Mitte zu richten, in dem er noch einmal eindringlich darum warb, in der aktuellen Corona-Pandemie weiterhin die geltenden Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. „Handeln Sie vernünftig und verantwortlich – vor allem im Sinne Ihrer und unser aller Gesundheit, aber auch im Sinne des wirtschaftlichen Fortbestands der gastronomischen Betriebe in unserem Bezirk.“ Der Bezirksbürgermeister kündigte zudem verstärkte Kontrollen an.

Am Freitag und Samstag, 24./25. Juli, kam es dann zu diesen angekündigten Kontrollen durch das Ordnungsamt und die Berliner Polizei – am Freitag sogar öffentlichkeitswirksam begleitet durch die Abendschau. Insgesamt wurden 14 gastronomische Einrichtungen in der Brunnenstraße, am Weinbergsweg und in der Torstraße kontrolliert. Die Bilder waren verstörend: Verletzte Abstandsregelungen, fehlende Hygienekonzepte, nicht vorhandener Mund-Nasenschutz sowie unvollständige Anwesenheitsdokumentation. Einige Betreiber und Gäste zeigten während der Kontrollen wenig bis kein Verständnis, in einem Fall musste das Ordnungsamt Anzeige wegen Bedrohung und Beleidigung erstatten. Insgesamt wurden 50 Verstöße gegen Corona-Regeln festgestellt. Die Mehrheit der Einrichtungen beseitigte die festgestellten Missstände nach Angaben des Bezirksamts aber schnell und umfassend.

Allerdings ist dies nur ein Teil der Problematik. Seit über einem Jahrzehnt beklagen die Anwohnenden des Rosenthaler Platzes und des Weinbergparks eine völlige touristische Übernutzung ihrer Nachbarschaft: Lärmbelästigung durch die Außenbewirtschaftung bei Spätis, Bars und Restaurants, die auch nach Schließung der Lokalitäten bis in die Morgenstunden anhält, Partys im Weinbergspark, Vermüllung und Verschmutzung – auch des U-Bahnhofs Rosenthaler Platz -, mangelnde Versorgung durch Toiletten, überfüllte Bürgersteige durch große Menschenansammlungen vor den Cafés und Lokalen im Weinbergsweg und rund um den Rosenthaler Platz sowie Schlägereien. Durch die Covid-19-bedingte Schließung von Clubs hat sich die nächtliche Belastung – zumal in den warmen Sommermonaten – noch einmal verstärkt. Anrufe bei Ordnungsamt und Polizei führten nach Angaben der Anwohnenden oft ins Leere. Dass jetzt nach einem Abendschau-Bericht sofort öffentlichkeitswirksame Kontrollen stattfanden, hinterlässt bei ihnen Frust. Sie verweisen dann auf Listen protokollierter Anrufe bei Ordnungsamt und Polizei, die meistens folgenlos blieben. Vom Bezirksamt wurde zwar ein Runder Tisch „Rosenthaler Platz“ eingerichtet, um die dort sichtbar werdenden Konflikte zwischen Anwohnern, Gewerbetreibenden und sozialen Gruppen, wie beispielsweise Obdachlose, anzusprechen und hierfür gemeinschaftlich Lösungen zu erarbeiten. Auch die SPD-Fraktion Mitte setzt sich durch Anträge und Anfragen für Verbesserungen für die Anwohnenden ein. Bisher allerdings ohne nachhaltige Wirkung.

So wichtig die konsequente Durchsetzung geltender Regelungen ist, allein dadurch werden sich die Probleme rund um den Rosenthaler Platz nicht lösen lassen. Robin Detje, ein Anwohner, bringt es auf den Punkt:

„Es geht für uns hier nicht vorrangig um ein Corona-Problem, sondern um eine langjährige stadtplanerische Fehlentwicklung, die zu einer Hotel- und Gastronomieschwemme geführt hat, die den Anwohnern das Leben zur Hölle macht und die die Behörden nur noch schwer unter Kontrolle bekommen.

Es geht um eine völlige Entgleisung bei den Gewerbemieten, die bei manchen Gastronomen zu piratenähnlichem Verhalten führt – Vorschriften werden nur noch eingehalten, wenn die Polizei neben ihnen steht, und vielleicht nicht einmal dann. Es geht letztlich darum, dass eine unkontrollierte Immobilienwirtschaft die Stadtkultur bestimmt.

Wenn die Stadt sich nicht offensiv neue Instrumente verschafft, die Stadtentwicklung zu lenken und klare Grenzen zu setzen – neben dem Lärm bricht hier ja auch bezahlbare Nahversorgung weg, – kann man das hier vergessen.“

Das wollen auch wir nicht! Wir wollen eine lebenswerte und lebendige Mitte, wo sich Tourist*innen, aber auch die Einwohner*innen wohl fühlen und gerne leben. Wir wollen auch nicht, dass der Rosenthaler Platz zur reinen Kulisse für ein partytouristisches Erleben wird. Wir stehen vor der Erarbeitung eines Wahlprogramms für Mitte und nehmen hierzu gerne Eure und Ihre Vorschläge entgegen, um gemeinsam eine Verbesserung der aktuellen Situation erreichen zu können.

Peter Fäßler